Eine Fuhre Holz / Wolfgang Langhoff. [Ill.: Georg McKing]

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Detalles Bibliográficos
Autores principales:Langhoff, Wolfgang (Verfasser)
Formato: Libro
Lenguaje:German
Publicado:Berlin : Verlag "Lied der Zeit", 1949
Materias:
Descripción
Notas:Inhalt: Die kurze Erzählung Langhoffs zum Konzentrationslager Börgermoor ist zeitlich und örtlich eng umgrenzt und atmosphärisch verdichtet. Erzählerisch auktorial vermittelt gibt die Geschichte zweier an „einem naßkalten Freitagnachmittag im April des Jahres 1934“ (S. 5) neu ins Lager eingelieferter Häftlinge von Anfang an dem Leser ebenso wie den weiteren Gefangenen des Lagers ein Rätsel auf und baut so einen Spannungsbogen auf, der im Verlauf der Geschichte nicht vollständig aufgelöst wird. Langhoff greift überdies verdichtet viele Themen wieder auf, die er bereits in seinem Erlebnisbericht „Die Moorsoldaten“ thematisiert, wie etwa die starke Kameradschaft der Häftlinge. Gleich zu Beginn kontrastiert der Erzähler die Ankunft der beiden Häftlinge aus den Nachbarlagern Neu-Süstrum und Esterwege durch die Darstellung der sehr unterschiedlichen Ankunfts- und Behandlungsweisen. Der erste Häftling, ein Schreiner, kommt zu Fuß und muss im eisigen Wind und Regen vor der Kommandantur warten, während der ihn begleitende SS-Mann sich in der Kantine aufwärmt. Der zweite Häftling erscheint in einem Lieferwagen, der ihn direkt bis vor die Arrestbaracke fährt, wo er auf den nackten Bretterboden gelegt wirdfdfdfsd. Erst jetzt erfährt der Leser, dass es sich bei diesem Gefangenen um einen Toten handelt: „Der Gefangene in der Arrestzelle starrte mit verglasten Augen an die Decke. Ein zweifingerbreiter Riß klaffte vom Haaransatz quer über die Stirne bis zur Nasenwurzel. Er war seit vierundzwanzig Stunden tot“ (S. 7). Es stellt sich heraus, dass der neu eingewiesene Schreiner einen Sarg für den Toten zimmern soll, da in Börgermoor Mangel an Schreinern herrscht. Ebenso wenig wie die neugierigen Häftlinge erfährt der Leser jedoch die Identität des Verstorbenen. Diese bietet Anlass zu vielen Spekulationen und Versuchen der Häftlinge, diese herauszufinden: „Fremde Gäste sind geheimnisvolle Gäste, auch als Leichen. Daher geschah es, daß sich die große Gefangenenfamilie – im Börgermoor fühlten sich alle als eine große Familie – fast ausschließlich mit dem Toten und seinem Schicksal beschäftigte und darüber den neueingelieferten lebenden Gefangenen vergaß, oder sich zum mindesten nicht so um ihn bekümmerte, wie es sonst unter ihnen üblich war“ (S. 10). Der Wunsch, den Namen zu erfahren, entspringt dem starken Bedürfnis, die Täter später für jeden einzelnen Getöteten zur Rechenschaft ziehen zu können und deren Namen nicht zu vergessen: „Die Überlebenden werden einst in die Ohren der Mörder schreien: Wo ist D e r ? Und wo ist D e r ? D e n habt ihr im Moor erschlagen! Darum muß ein toter Kämpfer im Börgermoor einen Namen haben und darf nicht fremd und unbekannt in seiner Zelle liegen“ (S. 11, Hervorhebung im Original). Der Erzähler gewährt auch Einblicke in die verstörenden und verzweifelten Träume des zweiten Gefangenen, der erst seit vier Wochen Gefangener und durch die neuen Erfahrungen von Verhören, Prügel und Entwürdigung tief traumatisiert ist. Neben Verzweiflung und Furcht regt sich fast reflexartig der Überlebensinstinkt: „Auch in dieser Stunde durchraste er das ganze Inferno der vergangenen vier Wochen, bis ihm der Angstschweiß ausbrach und nichts zurückblieb als Furcht, entsetzliche Furcht und ein Stück zuckendes, gequältes Herz, das aus der Finsternis stammelte: leben! leben! leben!“ (S. 12) Alle Versuche der Häftlinge, den Namen des Toten in Erfahrung zu bringen, scheitern jedoch. Schließlich wird bekannt, dass der Tote am Samstagnachmittag – dem einzigen arbeitsfreien Tag der Häftlinge – beerdigt werden soll. Sechs Häftlinge sollen den Sarg mit der Feldbahn ins Moor begleiten, wo die Beerdigung stattfinden soll. Diese Ankündigung erstaunt die Häftlinge und steigert gleichzeitig ihre Achtung vor dem Toten: „Wer war der Tote, daß sich die Lagerleitung zu einem solchen Schritt entschloß? […] Und wer zwang ihnen noch im Tod Achtung ab, daß sie ihn nicht einscharrten wie ein krepiertes Tier, - - wie sie es getan hatten mit den andern, die in jenem Hügel im Moor schon eingescharrt lagen?“ (S. 21) Sie beschließen die „Würdigsten unter sich“ (S. 22) und die geheimen Führer des Lagers für das Trauergefolge auszuwählen. Auch der Schreiner wird aufgrund seiner wichtigen Rolle als Sargzimmerer ausgewählt. Mit zehn offenen Wagen setzt sich die Feldbahn in Bewegung. Mit Erstaunen nehmen die Häftlinge zur Kenntnis, dass auch ein Priester zum Begräbnis bestellt wurde. Noch mehr verwundert sie die Tatsache, dass auch der Lagerkommandant den Begräbniszug mit dem Auto ein Stück begleitet. Auf halber Strecke zwischen Börgermoor und Esterwege soll der Tote auf einer kleinen hügeligen Schonung begraben werden. Nun stellt sich jedoch der wahre Grund für die Häftlingsabordnung heraus: Die Häftlinge sollen im Moor Holz sammeln und die zehn Wagen füllen. Sie erkennen: „Nicht zum Begräbnis hatte man sie ins Moor geschickt, sondern zur Arbeit! Zur Arbeit am freien Samstagnachmittag sollten sich Freiwillige melden, und weil die Leiche sowieso nach hier hinausgebracht werden mußte, hatte die Kommandantur die Gelegenheit ausgenutzt, Brennholz zu beschaffen“ (S. 31f.). Ihre Aufgabe ist es „auszufahren mit einem Toten und heimzukehren mit einer Fuhre Holz“ (ebd.). Trotz aller Scham und Wut macht sich unter den Gefangenen auch Erleichterung breit, denn das „Gesicht ihres Gegners stimmte wieder“ (ebd.). Sie waren, wie sie immer waren – „roh, brutal, gemein“ (ebd.). Das Begräbnis war – so erfahren sie später – auf den Druck der Bevölkerung zurückzuführen, die die zahlreichen Erschießungen in Esterwege mitbekommen und sich beschwert hatte: „Seit dieser Zeit hatten die Erschlagenen in Esterwege an einer normalen Krankheit gestorben zu sein und behördlich registriert, mit den Segnungen der Kirche versehen, in den Himmel zu treten“ (S. 32f.). So löst sich auch das Rätsel des anwesenden Priesters. Die Erzählung endet mit einer Befehlsverweigerung der den Trauerzug begleitenden Gefangenen. Diese gehen davon aus, dass der Priester den Namen des Häftlings in seiner Rede nennen wird. Ihre Erwartung wird jedoch enttäuscht, denn es stellt sich heraus, dass der Priester den Namen nicht kennt. Entsetzt über den Zynismus dieser Beerdigung verweigern die Kameraden den Befehl, das Grab zuzuschaufeln. Auch der Schreiner ordnet sich nach kurzem Zögern dem unausgesprochenen Übereinkommen der Kameraden unter: „Die Quelle in seinem Herzen war freigelegt. Mächtig und rein stieg Welle auf Welle hoch und erfüllte ihn mit unsagbarem Glück, tiefem Bewußtsein seiner Menschwerdung, seiner Kraft, seiner Zugehörigkeit zur großen Familie, dunkel brauste in ihm der Strom der Bruderschaft, der zerschlagene, zerprügelte Mensch erhob sich von der Erde, erweckt vom Beispiel der Solidarität seiner Brüder“ (S. 37). Drei Minuten verharren sie reglos bevor sie die Grube zuschaufeln. Obwohl also das Geheimnis des Toten ungelöst bleibt, ist sein Tod nicht vergeblich, so die Botschaft der Erzählung. Denn durch ihn wird der Schreiner zum Kämpfer für die Freiheit. Weitere werden folgen, so stellt der Erzähler in Aussicht: Er ist „der erste, den er durch seinen Tod in die Reihen der Kämpfer führte. Der erste, – aber nicht der letzte“ (S. 38). (Quelle: www.fruehe-texte-holocaustliteratur.de)
Descripción Física:47 S. ; kl. 8