Wilhelm Canaris : Lehrjahre eines Geheimdienstchefs (1905-1934) / Heiko Suhr

Die vorliegende Dissertation ist die erste wissenschaftliche Analyse zum Leben und Wirken des späteren Admirals Wilhelm Canaris. Leitgedanke dieser Dissertation ist es, Erklärungen dafür zu finden, warum Canaris als einziger Marineoffizier seiner Generation zum Widerstand gegen den Nationalsozialism...

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Bibliographic Details
Main Authors:Suhr, Heiko (Author)
Corporate Authors:Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (Issuing body)
Wachholtz Verlag (Publisher)
Universität Vechta (Degree granting institution)
Other Authors:Kuropka, Joachim (Degree supervisor)
Epkenhans, Michael (Degree supervisor)
Format: Book
Language:German
Published:Kiel ; Hamburg : Wachholtz, 2020
Edition:1. Auflage
Series:Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins Band 130
Subjects:
Online Access:Inhaltstext
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeschreibung
Details
Summary:Die vorliegende Dissertation ist die erste wissenschaftliche Analyse zum Leben und Wirken des späteren Admirals Wilhelm Canaris. Leitgedanke dieser Dissertation ist es, Erklärungen dafür zu finden, warum Canaris als einziger Marineoffizier seiner Generation zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus bereit war. Die Arbeit füllt mehrere Forschungslücken und ist dabei innovativ erstens durch die wissen­schaftliche Fragestellung, zweitens durch das breitgefächerte Quellenstudium auf drei Kontinenten und drittens durch die interdisziplinäre Methodik. Es werden sowohl Erkenntnisse der aktuellen Biographieforschung als auch der Sozialwissenschaften angewandt. Die virtuelle Rekonstruktion von mehreren hundert zerstörten Privatbriefen erlaubt außerdem erstmals einen intimen Zugang in das private Umfeld und die Gedankenwelt der Familie Canaris. Die so gewonnenen Ergebnisse liefern sehr individuelle und völlig neue Sichtweisen auf Canaris, die dem bisherigen Bild mehr als nur graduell widersprechen. Wilhelm Canaris vertrat die typischen Denkmuster und Verhaltensweisen eines um die Jahrhundert­wende sozialisierten Marineoffiziers. Er verkörperte über die Epochengrenze 1918/1919 hinweg bür­gerliche Ideale. Er hat als loyaler Offizier die Grundprinzipien militärischer Disziplin nie hinterfragt. Aufgrund einer ausgebliebenen Radikalisierung nach 1918/1919 lehnte er das demokratische Staatswe­sen aber nicht fundamental ab, sondern fand einen Weg, dieses fatalistisch hinzunehmen. Hier war er wiederum ein typischer Marineoffizier, der zwar offiziell der Republik diente, aber aus einer politischen Isolation heraus die demokratischen Prinzipien innerlich ablehnte. - Für Canaris ist aber eine deutliche und Autonomie vom marinespezifischen Kastendenken zu erkennen, die ihn einmalig macht. Er entwickelte sich über die typischen Eigenarten eines Marineoffiziers hinaus höchst individuell. Er war strategisch begabt und früh fähig, Führungsaufgaben anzunehmen. Erst recht nach dem Erleben der revolutionären Zeit unmittelbar nach Kriegsende 1918 war er auch bereit, Grenzen zu überschreiten und dies auch vor dem Hintergrund des Erkennens der eigenen Fehlbarkeit. Trotz einer vorsichtigen Grundhaltung scheute er weder Herausforderungen noch Konfrontationen. - Canaris vereinte moralische und ethische Ansprüche mit Leistungsfähigkeit, Intelligenz und höchstem Respekt von Untergebenen und Vorgesetzten. Er verfügte über eine einmalige Auslandserfahrung schon in jungen Jahren, war sprachbegabt und bemaß sein Handeln neben militärischen Standards auch mit politischem Instinkt. Über disziplinarische Kontrolle hinaus besaß er die Fähigkeit, Menschen zu ver­trauen bzw. ihnen weitreichende Handlungsspielräume zu ermöglichen. - Seine einmalige Laufbahn in der Marine bedingte eine völlig individuelle Entwicklung. Als junger Of­fizier er lebte er 1907 / 1909 in Lateinamerika eine Art von Kanonenbootpolitik, die schon zurzeit der Flottenpolitik von Tirpitz längst nicht mehr der modernen Marinedoktrin entsprach. Im Ersten Weltkrieg widersprachen alle seine drei Kommandierungen dem modernen Kriegsbild. Der Kreuzerkrieg zwischen den britischen und deutschen Streitkräften wurde als ehrenvoll wahrgenommen. Der Kampf wurde als ritterlich interpretiert und als sich stets im völkerrechtlichen Maßstab bewegend. Auch der Einsatz von Canaris für den deutschen Marinenachrichtendienst in Madrid kann als ehrenvoll empfundene Tätigkeit bezeichnet werden. Als U-Boot-Kommandant sah Canaris sich pathetisch als Ritter der Tiefe. Sein Ver­ständnis vom Krieg musste - fern von industrialisiertem Massen- und Gaskrieg der Westfront - daher bei Kriegsende 1918 ein längst von der Wirklichkeit überholter Anachronismus bleiben, der im Verbund mit den bald nach Kriegsende sehr stabilen dienstlichen und familiären Verhältnissen die ausgebliebene Radikalisierung bedingte sowie vermutlich auch die Art seiner Widerständigkeit determinierte. Auffällig ist, dass das Verhältnis zwischen milieugebundener Sozialisation und eigener Entwicklung bei Canaris konstant geblieben ist. Trotz jungen Alters und einem noch untergeordneten Rang gelang es ihm, sich auch schon im Kaiserreich aus der Kohorte seiner Kameraden hinaus zu entwickeln. In den Jahren der Weimarer Republik setzte sich diese Entwicklung fort. Diese Erkenntnis spricht für eine stabile und gefestigte Persönlichkeit von Canaris schon in jungen Jahren. - Die Leitfrage - der mögliche Zusammenhang zwischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus ab 1938 und der Marinelaufbahn bis 1935 - kann also positiv beantwortet werden. Die Marinelaufbahn von Canaris muss bei einer Bewertung seiner Widerständigkeit zwingend herangezogen werden.
Physical Description:556 Seiten Illustrationen 24 cm
ISBN:9783529022241
3529022241